A review by bumblemee
Die Träume anderer Leute by Judith Holofernes

emotional funny hopeful reflective sad medium-paced

4.5

Ich bin zu jung, um zu Hochzeiten der Helden Fan gewesen zu sein. Dieses Buch hat mich aber sehr interessiert, weil deren Lyrics mich immer fasziniert haben - daher ging ich davon aus, dass ich Judith Holofernes auch gern lese, wenn sie keine Songs schreibt. War auch so. Die Art, wie sie Dinge auszudrücken weiß, geht mir einfach ans Herz. Dieses Buch hat mich zum Schmunzeln und Lachen gebracht, aber auch meine Augen feucht werden lassen.

Zwar ist das an der Beschreibung des Buchs erkennbar, trotzdem nochmal der Reminder: Es geht fast gar nicht um die aktive Heldenzeit, eher um deren Nachwirkungen. Ich konnte die Autorin gut nachvollziehen in ihrem Zerissensein zwischen den Ideen, wie ihr Leben aussehen soll und dem unbequemen Nicht-Passen in ein kapitalistisches Musik-Business, gleichzeitig mit Körper und Psyche kämpfend. Auch dieses ganze sich selbst im Weg stehen, nicht zu wissen, was man selbst eigentlich möchte, wenn man nicht versucht, andere glücklich zu machen (die Träume anderer Leute halt). 
Judith Holofernes ist ein wundervoll skurriler Freigeist und mir hat es sehr gefallen, ein bisschen in ihren Kopf zu gucken.

Ich habe in ein paar Rezensionen gelesen, dass Lesende sich daran gestört haben, dass Judith Holofernes sich in diesem Buch um sich selbst kreise oder zu wenig reflektiere, in welcher privilegierten Situation sie sich befindet. Beides kann ich ehrlich gesagt gut nachvollziehen, daher vielleicht eine kleine Entscheidungshilfe, wie man festlegt, ob man dieses Buch lesen möchte oder nicht: Ja, die Autorin erzählt viel von sich selbst. Manchmal werden ihre Kinder oder Pola so lange nicht erwähnt, dass man sich fragt, was mit denen zu bestimmten Zeitabschnitten eigentlich los war. Wenn man sich eine Einordnung in ein größeres Bild wünscht, ist dieses Buch nicht die richtige Anlaufstelle. Es geht um persönliche Definition von Erfolg und die Umsetzbarkeit von Glücklichwerden in einem Konstrukt, das auf die wenigsten Personen zugeschnitten ist. (Wer ist ehemalige Frontfrau einer krass erfolgreichen deutschen Band, die endete, weil Touren mit dem Familienleben kollidierte? ... Not that many people.) Es ist - meiner Meinung nach - nicht die Aufgabe dieses Buches, intersektional zu beleuchten, wie die Privilegien von Judith Holofernes sie und ihre Möglichkeiten unterscheiden von anderen Personen. Ich kann aber sehr gut nachvollziehen, wenn es manche Menschen sauer macht, ihr beim Unglücklichsein zuzusehen, während sie sich absolut keine Sorgen machen muss, plötzlich in Armut zu leben oder ähnliches. Komplett. Wenn ihr das Gefühl habt, das macht euch sauer, dann würde ich für euer Seelenheil empfehlen, dieses Buch nicht in die Hand zu nehmen.

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