A review by bumblemee
Goethe ruft an: Roman by John von Düffel

funny reflective slow-paced
  • Strong character development? Yes
  • Loveable characters? It's complicated
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

3.25

Dieses Buch ist für mich eins von denen, die eigentlich gar nichts falsch, sondern viel mehr sehr viel richtig gemacht haben, mit denen ich aber aus persönlichen Vorlieben heraus einfach nicht ganz warm werden konnte.

Ich fand es an sich sehr witzig, wie hier diese Frage nach großer Literatur, diese elitäre Wahrnehmung scheinbar unfehlbarer Autoren (mit Absicht nicht Autor:innen an dieser Stelle) auf die Schippe genommen wird. Wie die Charaktere ihre Monologe halten (obwohl sie meist gar nicht reden, dazu kommen wir gleich), in denen sie ständig versuchen, hoch wichtig und deep zu klingen, die Debatte über den ersten Satz, der Unterschied zwischen "wahrer Literatur" und Unterhaltung. Fand ich alles ansprechend und wunderbar absurd erzählt. Außerdem fand ich, dass der Autor manchmal Dinge einfach großartig formulieren kann. Z.B. der Ausdruck "er fiel mir mit seinem Blick ins Wort": ich habe sofort ein präzises Bild im Kopf, viel interessanter hervorgerufen, als hätte dort sowas gestanden wie "er warf mir einen Blick zu, der mich verstummen ließ". How lame in comparison. Und solche Momente gibt es öfter.

Trotzdem hatte ich das Gefühl, ich hätte das Ganze lieber als Theaterstück gesehen. Ich hatte eh oft quasi ein Bühnenbild mit Inszenierung im Kopf. ... Hab dann den Autor gegoogled und der Typ ist Dramaturg, also gar kein Wunder. 
Das hätte mir einige meiner Struggle erspart. Es ist nämlich so, dass das Lesen für mich recht anstrengend war aus folgenden Gründen: Zum Einen sind die Kapitel relativ lang mit ihren zumeist 20 bis 30+ Seiten, zum Anderen sind die Szenen innerhalb der Kapitel sehr lang, es gibt wenige Absätze mit Leerzeilen. Gleichzeitig wird Gesprochenes in fast allen Fällen nicht in Anführungszeichen gesetzt, weil die Charaktere oft auch gar nicht selbst sprechen, sondern vom Protagonisten quasi nacherzählt werden. Und das, was sie sagen, ist wiederum häufig pseudo-tiefsinnige Gedankenkotze. Dadurch wird häufig auch kein Punkt gesetzt, wo eigentlich einer hingehört, sondern stattdessen ein Komma. Das verstärkt dann den sicherlich komplett intendierten Eindruck eines gesprochenen Monologes einer Person, die sich richtig in Fahrt redet, aber es führt auch dazu, dass teilweise über zwei Seiten kein einziger Punkt gesetzt wird. 
Und na ja, sowas ist für mich halt leider einfach ganz anstrengend zu lesen. Ich brauche das Gefühl, vorwärts zu kommen und Gedanken (durch Punkte) beenden zu können.
Außerdem sind die Charaktere alle nicht dazu da, um eine enge Bindung zu ihnen aufzubauen, sie dienen eher der Darstellung der Debatte, um die es eben in diesem Buch geht. Völlig in Ordnung, weil zielführend, aber auch etwas, was nicht dazu führt, dass ich mich an ein Buch gebunden fühle.

Wem diese Sachen jedoch nichts ausmachen, der:die wird eine noch bessere Zeit mit diesem Buch haben als ich. Ich bin froh, es gelesen zu haben, auch wenn es mich ein bisschen Nerven gekostet hat.

Außerdem: Es gibt einen Charakter, aus dem ich nicht ganz schlau geworden bin. Seine Frau deutet an, er sei schwul, aber er selbst sagt an einer Stelle Dinge, die für mich eher für sehr sex-repulsed Asexualität sprechen. Ich als ace Person bin da natürlich völlig für und hab mich gefreut, ich bin nur irgendwie nicht sicher, ob der Autor das so intendiert hat, aber eigentlich klingt es so :D
Hier ein Ausschnitt:
[...] "Sex" ist nicht mein Genre, es ist nicht einmal das Genre neben meinem, es ist kein Thema für mich, obwohl ich weiß, dass "Sex" ein Thema ist, immer und überall, aber eben nicht meins, ich will damit nichts zu tun haben, ich will nicht einmal in den Verdacht kommen, etwas damit zu tun haben zu wollen, und wenn ich auf der Welt der Einzige bin, dann bin ich eben anders, wenn "Sex" das Thema überhaupt ist, dann habe ich halt das Thema verfehlt, dann ist "Thema verfehlt" vielleicht die Überschrift meines Lebens, aber ich bin stolz drauf, versteht ihr, es war ein langer Weg bis dahin, aber endlich, ja, doch, bin ich stolz darauf!

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